Offene Gesprächsrunde

Offene Gesprächsrunde

Elf Jahre Stille

… war einer der Leitgedanken, den Pfarrer Blaszcyk den Gästen des ökumenischen Gedenkgottesdienstes anlässlich des 83. Jahrestages der Pogromnacht vom 09. November 1938 in seiner Andacht unterbreitete. „Widmen wir jedem Opfer der Shoa auch nur eine Minute des Gedenkens, so würde elf Jahre Stille herrschen.“ Dieser beeindruckenden Zahl folgend konnten die Anwesenden einen winzigen Teil des Schmerzes nachvollziehen, den die nationalsozialistische Vernichtungspolitik der Menschheit, besonders aber dem jüdischen Volk, zufügte. Still, aber eben nicht wortlos, gedachte die wachsende Runde in der Kirche und vor der Gedenktafel an der Kirchennordseite.  Die ergreifenden Worte dieses Gebetes, mitten in unserer Stadt, müssen heute mehr denn je allen Menschen, egal welchen Glaubens und welcher Herkunft, eine Aufforderung zum Handeln sein. „…nicht wieder schweigen, wenn Menschen neben uns verächtlich gemacht oder gemieden werden…“ ist dort gut sichtbar zu lesen. Dem gemeinsamen Kerzenzug zum Standort der niedergebrannten Bleicheröder Synagoge schlossen sich weitere Bürger an. Gemeinsam hörten sie die Worte des Bürgermeisters, der in seinen Betrachtungen  aktuelle Bezüge herstellte. Die Symbolkraft der leuchtenden Kerzen aller Teilnehmer war unübersehbar, auch für die zufälligen Passanten und Beobachter am Rand.  

Am Vorabend des Gedenkens war zu einer offenen Gesprächsrunde eingeladen. Die Anwesenden diskutierten das Thema „Bekanntes und Neues aus der ehemaligen jüdischen Gemeinde von Bleicherode“ intensiv und folgten interessiert den Ausführungen von Frau Dr. M.-L. Zahradnik. Sie forscht an der FH Nordhausen zum Thema „Jüdische Friedhöfen im Landkreis Nordhausen“. Für alle war beeindruckend, welche kulturellen und sozialen Impulse vor 1933 von den hiesigen Gemeinden ausgingen.

Beide Veranstaltungen waren geeignet, die Sicht auf alle Aspekte dieses Teils unserer Lokalgeschichte zu ergänzen und den persönlichen Horizont zu erweitern. Anerkennung einer historischen Verantwortung und Gestaltung einer faktenbasierten, aktuellen Erinnerungskultur dürfen nicht auf einzelne Gedenktage und wenige Gedenkorte beschränkt sein. Sie müssen von Vielen täglich gelebt werden, damit Teilnahmslosigkeit, Desinteresse und offene persönliche Drohungen nicht wieder zu Sprachlosigkeit und so furchtbarer Stille führen.